"Martin Luther aus katholischer Sicht" - Vortrag von Susanne Laun

Fazit: Gemeinsam Zeugnis geben von einem gnädigen und barmherzigen Gott

Das Interesse an der Ökumene ist nach wie vor ungebrochen. Dies zeigte sich erneut beim sehr gut besuchten Vortrag „Luther aus katholischer Sicht“, der am Donnerstagabend, 18.01.2018 im Pfarrheim Herz Jesu stattfand. Es war das erste Projekt des Ökumeneausschusses, der 2017 gegründet wurde. Referentin war Diplom-Theologin Susanne Laun aus Schifferstadt.

„Ermutigt durch den Leitfaden für das Ökumenische Miteinander im Bistum Speyer und der Evangelischen Kirche der Pfalz 2015 entschlossen sich die beiden Konfessionen, die Ökumene neu anzupacken“, wies Mitorganisator Jürgen Reimer in seiner Begrüßung darauf hin. Wedigo von Wedel, Mitglied im Ökumeneausschuss, hob hervor, dass diese Veranstaltung genau in die „Gebetswoche für die Einheit der Christen“ passe, die am vergangenen Sonntag in Speyer eröffnet worden sei. Auch Stephanie Bengert vom Ökumeneausschuss fügte hinzu, dass es wichtig sei, gemeinsam in Sachen „Ökumene“ etwas zu unternehmen und weiterzugehen. Der Abend gab daher Gelegenheit, mit der „katholischen Brille“ auf das zu schauen, was Luthers Neuansatz der Theologie zu seiner Zeit ausgelöst hat und wie er im Laufe der Jahrhunderte bis heute von katholischer Seite aus gesehen wurde und wird.

Der spannende, sehr komprimierte Vortrag von Susanne Laun begann zur Einführung mit einem Rückblick auf das Reformationsjahr 2017. Das Thema „Luther aus katholischer Sicht“ stehe in einem doppelten Spannungsfeld. Zum einen werfe es den Blick auf das Verhältnis der Person und seines Wirkens und der römischen Kirche seiner Zeit und zum anderen gehe es um die Frage, welche Wechselwirkungen die Lutherbilder und Interpretationen ausgelöst hätten.

Luthers Schwerpunkt als Mitglied des Augustinereremitenordens in Erfurt lag damals auf der Heiligen Schrift. „Hier deutete sich schon an, was in seiner Theologie immer deutlicher herausgearbeitet wird: Der Mensch kann aus sich heraus nichts; alles ist Gottes Gnade“, so die Diplom-Theologin. Auch könne Buße nicht als Auferlegung von frommen Leistungen gedeutet, sondern als Selbsterkenntnis und Befreiung gedeutet werden. Ausgangspunkt für die beginnenden und schließlich zum Bruch führenden Konflikte sei die Kontroverse zum Ablass gewesen.  Hintergrund war eine Vereinbarung zwischen dem Erzbischof Albrecht von Brandenburg und Rom: Während Rom dringend Geld für die Finanzierung der teuren Peterskirche benötigte, war Albrecht selbst hoch verschuldet. Die Hälfte des Erlöses der Ablassbriefe sei nach Rom gegangen, die andere Hälfte habe Albrecht behalten dürfen, wenn er den Verkauf der Ablassbriefe in seinem Geltungsbereich zulasse. Diese Briefe hätten nicht nur für einen Nachlass von Sündenstrafen geworben, sondern auch von Sünden über die irdische Existenz hinaus. Auch habe er den Erwerb solcher Briefe für zukünftige Sünden empfohlen.

Hierüber wollte Luther den Erzbischof informieren und für eine Klarstellung sorgen, was in den 95 Thesen „Disputation zur Klärung der Kraft der Ablässe“ aufgeführt worden sei. Doch mit der Reaktion seiner Thesen habe Luther nicht gerechnet, denn sie sollten eine Einladung zu einer Diskussion darstellen. Es sei zu mehreren Auseinandersetzungen gekommen, die Zuspitzung des Konfliktes begann, bis die reformatische Bewegung ihren Lauf nahm. „Aus dieser Auseinandersetzung um die Lehre des Ablasses entwickelte sich dann das, was wir heute die Lehre von der Rechtfertigung allein aus Gnade allein der Glaube nennen“, so Susanne Laun. „Aus heutiger Sicht müssen wir sagen, dass das, was Luthers Anliegen war, heute kein Bruch mit der katholischen Kirche und ihrer Lehre mehr zu rechtfertigen ist“, fügte sie hinzu. Umso bedauerlicher sei, wie sich das Verhältnis beider Kirchen erst einmal für Jahrhunderte weiter entwickelt habe, zunächst durch das Konzil von Trient, das die Grundbotschaft der Reformation in einer erweiterten Form zum Ausdruck gebracht habe, dann die gemeinsame Erklärung, dass die Rechtfertigungslehre keinen kirchentrennenden Charakter mehr besitze. Dennoch waren damit nicht alle theologischen Widersprüche und Unterschiedlichkeiten ausgeräumt. Eine deutliche  Markierung habe das I. Vatikanische Konzil mit dem Unfehlbarkeitsdogma gesetzt. Voraus ging ein Antimodernismus der katholischen Kirche, der alles ablehnte was sich im 19. Jahrhundert an neuen Entwicklungen abgezeichnet hatte.

Wirklich gelungen sei eine ökumenische Annäherung erst im Laufe des 20. Jahrhunderts. Denn da sei die Erkenntnis gewachsen, dass man möglicherweise über Jahrhunderte Vorurteile transportiert hätte, die die Gegenseite nicht korrekt wiedergegeben hätten und daher viele Missverständnisse transportiert worden seien, für die Polemisierungen und Abwertungen der jeweils anderen Seite verantwortlich gewesen wären. Diese Haltung ermöglichte einen Rückblick auf die Geschichte und das wahrzunehmen, was an gegenseitigen Missverständnissen und Verletzungen stattgefunden habe. Ein Meilenstein für eine veränderte Haltung der katholischen Kirche gegenüber Luther, aber auch insgesamt gegenüber dem Anliegen der Reformation, sei das II. Vatikanische Konzil gewesen, denn die Kirchen oder kirchliche Gemeinschaften, die aus der Reformation hervorgegangen seien, wurden als Brüder und Schwestern im Glauben bezeichnet und die Schuld an der Trennung nicht mehr einseitig angelastet. „Ein wichtiges Anliegen Luthers war der Gottesdienst in der Landessprache. Auch das hat das Konzil mit seiner Liturgieform eingeführt, nicht ohne innerkatholische Kritik, die zum Teil bis heute andauert“, merkte sie an. Aber auch innerhalb der evangelischen Kirche habe es Entwicklungen auf ein neues ökumenisch offeneres Lutherbild gegeben. Man könne seine Person nicht mehr als Sinnbild eines Übergangs von der Finsternis zum Licht hindeuten.

„Wir können heute zum Glück viel differenzierter und wertschätzender und in ökumenischer Gemeinsamkeit und Verbundenheit einen Blick auf das richten, was durch Martin Luther und seine Anliegen angestoßen wurde“, erklärte die Referentin in ihrem Fazit. Der katholische Blick auf Luther habe auch gezeigt, dass im Umgang mit ihm und der Rezeption und Interpretation in den Kirchen viele theologische Auseinandersetzungen gescheitert und Chancen verpasst worden seien. Die Frage und hoffentlich auch Sehnsucht nach einer Einheit der Kirche, die nicht nur in ihren theologischen Äußerungen, sondern auch ihre Struktur nach außen das Gebet „Dass alle eins seien“ umsetze, bleibe bestehen. Natürlich sei noch nicht alles gut in der Ökumene, manche Themen müssten weiterbearbeitet werden. Susanne Laun machte aber auch deutlich, auf was es im Letzten bei allem Engagement für die Ökumene ankomme: gemeinsam Zeugnis zu geben von einem gnädigen und barmherzigen Gott im Einsatz für eine friedliche und versöhnte Welt, für Gerechtigkeit und Menschenwürde und für einen sorgfältigen Umgang mit der Schöpfung Gottes. Es mache die Kirche Jesu Christi unglaubwürdig, wenn dogmatische Fragen trennen, wo einheitliches Zeugnis in dieser Welt nötig sei. „Vielleicht braucht es da weniger ein weiteres theologisches Diskutieren als vielmehr eine Entscheidung“, rundete sie ihren Vortrag ab.

Nach einer kurzen Gesprächsrunde erteilte Pfarrer Albrecht Effler abschließend den Abendsegen.

Bericht: Inge Schade

Lied zum Abschluss des Abends von Martin Luther nach "Da pacem, Domine" (1529) - siehe auch Gotteslob Nr. 475:

Verleih uns Frieden gnädiglich,
Herr Gott, zu unsern Zeiten.
Es ist doch ja kein andrer nicht,
der für uns könnte streiten,
denn du, unser Gott, alleine.

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