Pfingsten hat eine Art Gelenk- und Scharnierfunktion
Im festlich musikalisch gestalteten Hochamt die Geburtsstunde der Kirche gefeiert
"Mit der Ausgießung des Heiligen Geistes über die in Jerusalem versammelten Jünger dürfen wir heute die Geburtsstunde unserer Kirche feiern, ihrer öffentlichen Wirksamkeit", betonte Pfarrer Dr. Georg Müller zu Beginn des Gottesdienstes in der St. Jakobuskirche am Hochfest Pfingsten. Der Geist habe die Jünger befähigt, die Bindung zu Jesus Christus zu halten, auch wenn er nach seiner Auferstehung nicht mehr leibhaft unter ihnen weilte.
"Die Zeit nach Ostern ist bereits geprägt durch die neue, verklärte andere Gegenwart des Herrn, aber er ist noch da", betonte der Pfarrer in seiner Pfingstbotschaft. Doch seine Worte hätten schon damals im voraus in eine Zeit verwiesen, in der er nicht mehr sichtbar bei den Jüngern und in der ihnen die Verkündigung des Evangeliums anvertraut sei, die Zeit der Kirche.
"Zeugnis und Verkündigung aber sind nicht möglich,
wenn sie nicht aus dieser inneren Anbindung an Jesus Christus geschieht."
Das Pfingstfest, die Herabsendung des Heiligen Geistes auf die junge Kirche, habe eine Art Gelenk- oder Scharnierfunktion zwischen dem irdischen Leben Jesu vor und nach Ostern und der Zeit, in der die Jünger seinem Auftrag, der Verkündigung des Evangeliums in die ganze Schöpfung, nachkommen sollten.
"So wie eine Tür sich nicht mehr öffnen und schließen lasse
wenn sie nicht in der Angel hänge,
so könne die Kirche als Ganzes und auch die einzelnen Gläubigen
ohne den Heiligen Geist nicht in Jesus bleiben
und diesem Auftrag nachkommen."
In dieser Hinsicht sei Pfingsten tatsächlich das Geburtsfest der Kirche. Damit verbinde sich die für manche oder viele anstößige Tatsache, dass Jesus seine Botschaft vom Reich Gottes fehlerhaften und sündigen Menschen anvertraut habe. Die Geschichte der Kirche sei auch gekennzeichnet von Sünden und Fehlern. Sie habe mit Hochmut, Stolz oder Machtanspruch immer wieder die Demut Jesu überdeckt. In Deutschland gewinne das Ganze durch das Kirchensteuersystem und die Möglichkeit des Austritts noch eine zusätzliche Brisanz. So sehr dieses System vieles ermöglicht habe, so sehr habe es auch einem Denken Vorschub geleistet, die Kirche sei ein Verein, was sie aber nicht sei sondern eine sichtbare Gemeinschaft des Glaubens, in die man hineinkomme durch das Sakrament der Taufe, das Handeln Gottes an den Menschen. "Wir bleiben als Kirche und als einzelne immer wieder zurück hinter diesem Anspruch, der sich mit diesem großen Geschenk, der Gabe des Glaubens und des Geistes verbinde, was für alle gilt", sagte er. Doch all das mache nicht ungeschehen, was durch die Kirche bis heute an Gutem passiere, nämlich die durchgehende Verkündigung des Evangeliums, die getragene caritative Sorge am Nächsten und die tief geprägte Kultur und Gesellschaft.
Wenn die Kirche diesem Grundauftrag nicht mehr nachkomme, dann brauche sie niemand mehr. "Wenn wir nicht den Glauben verkündigen, den Gekreuzigten und Auferstandenen Jesus Christus, den ausgegossenen Geist und dass er uns dadurch ins neue Leben ruft und uns das Leben schenken will, wenn wir diese Botschaft nicht mehr leben und immer wieder mit Leben erfüllen, braucht man uns nicht," ging er ins Detail. Deshalb müsse man immer wieder Maß nehmen an der Heiligen Schrift und an Jesus selbst. Denn eine angepasste Gemeinschaft, die nur noch mache und sage, weil es die Mehrheit denke, werde auch unnütz. Aber mit SEINEN Geschenken des Heiligen Geistes und des Evangeliums habe man alles, was nötig sei, um zu verstehen, zu wachsen in der Gemeinschaft, im Glauben und um Zeugen für Jesus zu sein.
"Missa Corona" und anderes bereicherten musikalisch den Gottesdienst
Bereichert wurde der Gottesdienst auch durch eine besondere musikalische Gestaltung. Zur Aufführung kamen unter anderem Teile der "Messe in A-Dur" von Joseph Gabriel Rheinberger und der neu komponierten "Missa Corona" für Sopran und Orgel von Johannes Matthias Michel (1962).
Diese entstand während des ersten Lockdowns im Mai 2020 und wurde im Juni 2020 in der Christuskirche Mannheim uraufgeführt. Inzwischen wird sie deutschlandweit musiziert. Diese Messe soll auch später noch an alle Menschen erinnern, die in dieser Pandemie an und mit Corona gestorben sind sowie an diejenigen, die in ihrer Existenz durch die Pandemie-Maßnahmen bedroht waren.
Diese zeitgenössische Messvertonung gibt klare Linien vor und hob zum Beispiel durch ihre Einstimmigkeit besonders die "Kyrie-Anrufungen" nach Erbarmen hervor. Das "Gloria" hingegen war rhythmisch gehalten, brachte aber bei der "Bitte um Erbarmen" (Miserere nobis) eine ehrwürdige Feierlichkeit zum Klingen, dessen Abschluss, beginnend mit der Fuge "Quoniam tu solus sanctus" von Georg Treuheit mit dem Glockenspiel der Orgel unterlegt wurde. Das "Agnus Dei" war sehr schlicht gehalten und wurde auch vom Dekanatskantor entsprechend solistisch interpretiert, bevor die Chorsängerinnen die "dona nobis"-Fuge, die Bitte um Frieden, ausdrucksvoll übernahmen. Dazwischen erklangen das "Credo" und das "Sanctus" aus Rheinbergers "Messe in A-Dur", die durch kurze Imitationsphasen und leicht aufgelockerten Sätzen bestimmt ist. Dabei trat das "Credo" bestimmt einher, das "Sanctus" war geprägt von feierlicher Anbetung. Doch auch mozärtliche Klänge fehlten in diesem festlichen Hochamt nicht. So gab es von den Sängerinnen eine wunderschöne Wiedergabe des "Ave verum" und eine Kirchensonate in D-Dur, virtuos musiziert vom Streicherensemble, das auch bei der Rheinberger-Messe eine ausgezeichnete musikalische Visitenkarte abgab. Die Orgelbegleitung mit Georg Treuheit diente als klangliche Stütze und erweiterte die Dreistimmigkeit zur Vierstimmigkeit.
Text und Bild: Inge Schade