Diese Geschichte spricht für sich.
Gedenkfeier am Hauptbahnhof für Edith Stein und alle weiteren Opfer
Ein herzliches Willkommen richtete Reverend Dr. Joachim Feldes von der Anglikanischen Gemeinde Rhein-Neckar an die Teilnehmenden am Hauptbahnhof, die sich am Dienstag, 7. August um 12.45 Uhr zu einer ökumenischen Gedenkfeier für Edith Stein eingefunden hatten, darunter auch Pfarrer Dr. Georg Müller, Diakon Hans Sattel und Michael Binder, Gemeindevorsteher der Neuapostolischen Kirche.
In seiner Begrüßung war es dem Reverenden auch ein Anliegen, auf die am 4. August 2017 verstorbene Laura Meaux, Gründungsmitglied und Förderin der Edith-Stein-Gesellschaft Deutschland e.V., zu erinnern. Denn sie sei es gewesen, die 1997 eine Bronzetafel zwischen den Gleisen 2 und 3 am Hauptbahnhof stiftete, die daran erinnern soll, dass auf dem Weg nach Auschwitz hier am 7. August der Zug mit Deportierten aus den Niederlanden hielt, darunter Edith Stein und ihre Schwester Rosa.
In seiner Ansprache bezog er sich auf das Kapitel "Bekenntnis der Völker zum einzigen Gott" aus dem Buch Jesaja (45, 18-24), der dazu geraten habe, dass sich die Menschen nicht auseinanderdividieren lassen sondern zusammenhalten sollten. Denn die Gemeinschaft lebe aus einem inneren Zusammenhalt, dem Bemühen um Verständnis untereinander und im Einsatz für das Gemeinwohl, um gutes Leben für alle. Daneben gelte es, die richtige Ausrichtung auf Gott nicht zu verlieren. Der Zusammenhalt sei keine Wagenburg, lebe nicht von Abschottung sondern solle nach außen offen bleiben und brauche keine Mauern, genau wie Edith Stein immer wieder geschrieben und gelehrt habe. Denn Mauern könnten da nur schaden. "Auch die Klostermauern können uns letztendlich nicht schützen", schrieb sie einst ihren Mitschwestern. Vielmehr sei es das Vertrauen auf Gott, was allein helfe, Geborgenheit und Sicherheit biete.
"Wenn wir die Geschichte unserer Stadt betrachten, die vor 1150 Jahren zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurde, können wir das mit gutem Gewissen tun", so Dr. Joachim Feldes. Sie habe vieles zu bieten, wofür man dankbar sein könne, aber eines hatte die Stadt nie, nämlich eine Stadtmauer. "Von Anfang an waren es offene Gehöfte, auch wenn es manchmal riskant war", hob er hervor. Klar habe es Vorbehalte gegeben, wie beispielsweise zwischen Klein- und Groß-Schifferstadt, den Evangelischen und den Katholiken, zwischen Einheimischen und Zugezogenen, zwischen Nord und Süd. Doch es sei immer gelungen, Schwieriges zu meistern und zusammen zu kommen, Neues zu integrieren, wie Heimatvertriebene, Zuwanderer aus dem Süden und dem Ostern, Flüchtlinge, Menschen verschiedenster Konfessionen und Religionen. Vielleicht habe dieser Charakterzug auch dazu beigetragen, sich in den 20 Jahren, seit diese Tafel am Hauptbahnhof angebracht ist, auf Edith Stein einzulassen. Daraus seien nicht nur neue Begegnungen sondern auch Auswirkungen entstanden, wie beispielsweise mit der Kapelle in Herz Jesu, der Statue in St. Jakobus, der Gedenkstein in St. Laurentius, das langjährige Engagement der Kolpingfamilie, und vieler anderer für den Bau des Taufsteins und des Ambos der Edith-Stein-Kirche in Rom. "Edith Stein ist vor 76 Jahren nicht nur in Schifferstadt durchgefahren, sondern sie ist auch hier angekommen", brachte er es abschließend auf den Punkt.
In dem von Pfarrerin Barbara Abel-Pohlack vorgebetenen Psalm Davids "Ruf nach Gott von den Enden der Erde" kam Trost, Hoffnung und Zuversicht zum Ausdruck. Pastoralreferent Heinrich Schmith ging auch auf ein Gebet ein, das am 26. Juli 1942 in allen niederländischen Kirchen aufgrund der Deportationen gebetet wurde.
Christian Matthes von der Pfarrei Heilige Edith Stein erinnerte an die Zeugin Emma Jöckle, ehemalige Schülerin von Edith Stein in Speyer. Sie berichtete 1993 von ihrer Begegnung auf dem Bahnhof: "Ich war mit der Bahn von meinem damaligen Wohnort Alzenau zum Besuch meiner in Speyer lebenden Mutter unterwegs. Beim Umsteigen in Schifferstadt stand schon ein Zug auf Gleis 3. Edith Stein trug ein abgetragenes blaues Kostüm, unverwechselbar der Mittelscheitel ihrer Frisur. Ohne den Kopf nach mir zu wenden, sprach sie deutlich und klar: 'Emma, grüßen Sie die Schwestern von St. Magdalena. Ich fahre nach dem Osten.' Ich hatte in diesem Moment noch keine Ahnung, in welcher Situation sich Edith Stein befunden hatte."
Der Transport erreichte am 8. August 1942 abends das Lager Auschwitz-Birkenau. Nach der Selektion wurden dreihundertfünfzehn Männer mit den Nummern 57405 bis 57719 und einhundertneunundvierzig Frauen mit den Nummern 15812 bis 15960 ins Lager übernommen. Fünfhundertdreiundzwanzig Menschen starben in der Gaskammer. "Diese Geschichte spricht für sich", so Christian Matthes. Wie Edith Stein seien Millionen von Menschen gestorben. Es dürfe niemals zugelassen werden, dass sich dieses Grauen wiederhole. Zum Gedenken an diesen Augenblick vor 76 Jahren wurde abschließend eine Kerze entzündet, eine Rose niedergelegt und an alle Opfer gedacht, die das gleiche Schicksal wie Edith Stein teilen mussten.
Bericht: Inge Schade / Foto: Walter Grothe