Im Gespräch mit Pfarrer Stefan Mühl, dem neuen Leiter der Pfarrei Heilige Edith Stein

"Es muss ein lebendiges Zusammenspiel der beiden Ebenen Pfarrei und Gemeinde geben"

Nun ist es bald so weit: Am 1. Dezember 2022 wird Pfarrer Stefan Mühl aus Frankenthal die Leitung der Pfarrei Heilige Edith Stein übernehmen. Im Interview mit Redakteurin Inge Schade für das Schifferstadter Tagblatt spricht er über seine Motivation, nach Schifferstadt zu wechseln, sein Verhältnis zur Kirchenmusik und zur Ökumene, seine Vorstellungen als Pfarreileiter und einiges Persönliches.

Herr Pfarrer Mühl: Was war für Sie ausschlaggebend, sich für den Priesterberuf zu entscheiden?

Ich habe in meiner Heimatgemeinde Kandel gute Erfahrungen gemacht, besonders in der kirchlichen Jugendarbeit. Mir machte es Spaß, als Gruppenleiter Gruppenstunden und Freizeiten vorzubereiten und durchzuführen – und das durchaus auch auf dem Hintergrund des christlichen Glaubens. Irgendwann stellte sich mir dann die Frage: Willst du diese Sorge für andere und die Weitergabe des Glaubens nicht zu deinem Beruf machen? Zwischen diesem ersten Anstoß, der Entscheidung und letztlich der Priesterweihe standen dann viele Auseinandersetzungen mit Fragen des Glaubens und auch in Bezug auf die Lebensform.

Was hat Sie bewogen, sich als Leitender Pfarrer der Pfarrei Heilige Edith Stein zu bewerben?

Ich glaube, es ist gut, sich im Leben ab und zu auf neue Herausforderungen einzulassen. Das gilt auch für einen Pfarrer und für Gemeinden. Wenn man zu lange an einer Stelle ist, dann schleichen sich Gewohnheiten und Routinen ein, die nicht immer nur gut sind. Deshalb ist es auch Usus, dass ein Pfarrer nach 10 bis 15 Jahren die Stelle wechseln sollte. Bei mir waren es jetzt 12 Jahre in Frankenthal (Anm. der Red.: Pfr. Mühl war zuvor in der Pfarrei Hl. Dreifaltigkeit in Frankenthal), und ich dachte mir: Wenn ich nochmal was Neues anfangen will, dann jetzt. Schließlich gehe ich auf die 60 zu. Schifferstadt als lebendige Pfarrei hat mir zugesagt, auch von der Größe her. Damit verbinde ich auch die Hoffnung, mehr Zeit für die Seelsorge zu haben – auch wenn mir der Abschied aus Frankenthal sehr schwer gefallen ist.

In den drei Gemeinden der Pfarrei wird Kirchenmusik „groß“ geschrieben und umfasst ein breites Spektrum. Welchen Stil bevorzugen Sie?

Ein breites Spektrum finde ich gut. Die „klassische“ Kirchenmusik mit Chor- und Orchesterwerken sollte weiterhin einen hohen Stellenwert haben. Als in den 70er und 80er Jahren kirchlich Sozialisierter ist mir natürlich auch das so genannte „Neue Geistliche Lied“ ans Herz gewachsen. Aber mir ist klar, dass die meisten jungen Menschen heute damit eher weniger anfangen können. Bei aller musikalischen Vielfalt ist mir wichtig, dass im Gottesdienst die Beteiligung der Gemeinde auch durch Gesang nie zu kurz kommt.
Falls es um meine persönlichen Vorlieben beim Musikhören geht: ich kann ein klassisches Konzert genießen, höre aber privat lieber ältere Rockmusik oder auch mal Liedermacher wie zum Beispiel Reinhard Mey.

Wie stellen Sie sich ihre sogenannten ersten „100 Tage“ in der Pfarrei vor?

Ich denke, zunächst muss ich dort ankommen und die Pfarrei kennenlernen. Dazu gehört für mich, hinzusehen, was es dort alles gibt, und hinzuhören, was die Menschen erwarten und brauchen. Dieses Hinhören ist mir besonders wichtig, weil es gilt, dahinter auch die Stimme Gottes zu hören, der in den Menschen und Ereignissen spricht. Dieses Kennenlernen wird sicher mehr als 100 Tage dauern.

Haben sie schon etwaige Vorstellungen, wie Sie die Pfarrei leiten wollen?

Ich komme nicht mit einem Programm, weil ich ja die Gegebenheiten noch nicht kenne. Aber mir ist es wichtig, keinen Alleingang zu starten, sondern die Pastoral gemeinsam zu verantworten. In erster Linie ist da natürlich das Pastoralteam gefragt. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit diesem Team aus unterschiedlichen Persönlichkeiten, die viel Erfahrung mitbringen und in der Pfarrei fest verankert sind. Ebenso ist es mir wichtig, dass die Arbeit in den pfarrlichen Gremien wie dem Pfarreirat, dem Verwaltungsrat und den Gemeindeausschüssen geplant und abgestimmt wird. Ich glaube, dass die Kirche insgesamt synodaler werden muss – und wo, wenn nicht in den Pfarreien gibt es schon Erfahrungen damit, die es weiter zu pflegen gilt.
Ich hoffe übrigens, dass bald eine Situation eintritt, in der der Verwaltungsrat seine Tätigkeit wieder aufnehmen kann, denn auf das Engagement und die Kompetenzen dieser Frauen und Männer, die für die „materielle“ Seite der Pfarrei Verantwortung tragen, können wir nicht verzichten.

Wie würden Sie sich selbst beschreiben, wenn Sie gefragt würden? (was ja jetzt der Fall ist )

Ich bin in den meisten Situationen ruhig und ausgeglichen. Nur ab und zu, wenn Dinge meiner Meinung nach zu langsam vorwärtsgehen, packt mich eine gewisse Ungeduld. Ich würde mich als freundlich, humorvoll, kontaktfreudig und verbindlich beschreiben. Ich glaube, ich kann gut zuhören. Formalitäten und Förmlichkeiten liegen mir nicht so. Manchmal müsste ich strukturierter sein und besser planen; aber ich arbeite daran.

Sie mussten ja, wie alle anderen Seelsorger, durch die Coronapandemie, in der viel Kirchliches zum Erliegen kam. Wie war das für Sie in dieser Zeit? Haben sich dabei maßgeblich andere Einstellungen ergeben?

Wie wahrscheinlich für alle Menschen war das zunächst für mich schwierig, von jetzt auf gleich die Aktivitäten herunterzufahren. Ich habe die direkten Kontakte zu Menschen sehr vermisst. Mit der Zeit gelang es aber, neue und kreative Formen der Seelsorge zu finden, die in dieser Zeit möglich waren. Wie viele andere auch, habe ich in dieser Zeit einen großen Sprung gemacht, was die Digitalisierung angeht. Videokonferenzen kannte ich doch vorher nur vom Hörensagen – nun gehörten sie zum täglichen Brot und halfen, Kontakt zu halten. Auch der Live-Stream von Gottesdiensten wurde entwickelt. In Frankenthal brachten sich junge Menschen mit vielen gute Ideen und großem Engagement ein. Und auch in Schifferstadt wurde und wird das Streamen ja sehr erfolgreich umgesetzt.
Auf diesen Erfahrungen sollten wir aufbauen und Modelle entwickeln, wie wir als Pfarrei in der digitalen Welt besser präsent sein können.

Die Pandemie zeigte aber auch, dass Gottesdienste zwar ein wichtiger Teil des Auftrags der Kirche sind, aber eben nicht alles. Wir können uns nicht nur von der Liturgie her definieren. Viele meldeten zurück, dass ihnen in dieser Zeit vor allem die Gemeinschaft und der Austausch mit anderen Gemeindemitgliedern fehlte. Daraus ergeben sich ebenfalls Anfragen an die Pfarrei.

Sie haben inzwischen auch Erfahrungen in Bezug auf Großpfarrei und ihren Gemeinden gemacht. Welche Prioritäten setzen sie in dieser Situation?

Zur Person

Stefan Mühl wurde am 03.10.1964 in Kandel geboren. Nach Abitur und Zivildienst hat er Theologie in Mainz und München studiert. 1994 wurde er mit sechs Mitbrüdern im Speyerer Dom zum Priester geweiht. Ab 1998 war er auf verschiedenen Stellen in der Jugendarbeit des Bistums tätig, zuletzt als Diözesanjugendseelsorger und Leitr des Bischöflichen Jugendamts. Seit 2010 war er Pfarrer n Frankenthal.

Es muss ein lebendiges Zusammenspiel der beiden Ebenen Pfarrei und Gemeinde geben. Die Pfarrei ist keine Konkurrenz zur Gemeinde, noch sind es die Gemeinden untereinander. Was auf der Ebene der Gemeinde gewachsen und weiterhin durchführbar ist, sollte in der Regel dort auch bleiben. Auf der anderen Seite sollten Angebote auch gebündelt und gemeinsam auf der Pfarreiebene angeboten werden, wo immer das sinnvoll ist. Es ergibt wenig Sinn, wenn drei Gemeinden mit großem Aufwand und überschaubarem Erfolg das Gleiche anbieten, was als gemeinsame Veranstaltung in der Pfarrei mit weniger Aufwand für mehr Leute gemacht werden könnte. Gerade angesichts abnehmender Ressourcen – vor allem auch personeller Art – muss geschaut werden, was auf welcher Ebene noch leistbar ist.

Schön wäre es, wenn jede Gemeinde ihr eigenes Profil und ihre eigenen Leuchtturmprojekte hätte, von denen dann wieder die anderen profitieren können.

Das ist jetzt sehr allgemein gesprochen. Ich kenne die Schifferstadter Gemeinden zu wenig, um das konkret auf die Situation vor Ort anzuwenden. Ich denke allerdings: Die Wege in Schifferstadt sind kurz und die Pfarrei kompakt – da müsste doch vieles gemeinsam möglich sein.

Was liegt Ihnen in einer Pfarrei besonders am Herzen?

Dass die Frohe Botschaft Jesu Christi mutig, hoffnungsfroh und zeitgemäß verkündet wird. Dass Gemeinschaft erfahrbar wird. Dass lebendige und begeisternde Gottesdienste gefeiert werden, die den Menschen etwas für ihr Leben mitgeben. Dass diejenigen im Blick sind, denen es, aus welchen Gründen auch immer, nicht gut geht. Dass Menschen etwas von der bedingungslosen Liebe Gottes zu ihnen erfahren und diese dann auch an andere weiterschenken... Ach, es gäbe so vieles, was mir am Herzen läge, was aber unmöglich alles aufgezählt werden kann.

Einführungsgottesdienst

Der Gottesdienst zur Einführung von Pfr. Stefan Mühl durch den Dekan des Dekanates Speyer, Pfr. Markus Hary findet am 3. Adventssonntag, Sonntag, 11.12.2022, um 10:30 Uhr in der Kirche St. Jakobus (Kirchenstr. 14) statt. Dazu sind an alle Pfarreiangehörigen und Interessierte herzliche Einladung.

In unserer Pfarrei wird "Ökumene" groß geschrieben. Inzwischen gibt es sogar einen sehr aktiven Ökumeneausschuss. Wie handhaben Sie es mit der Ökumene?

Mir persönlich ist Ökumene sehr wichtig. In den letzten Jahren war ich auch Pfarrer am einzigen Ökumenischen Gemeindezentrum der Pfalz im Frankenthaler Pilgerpfad. Dort habe ich das ökumenische Miteinander noch mehr schätzen gelernt. Ökumene sollte keine Aufgabe unter vielen anderen sein, sondern sie ist ein unverzichtbarer Bestandteil des Handelns. Es ist ein Ärgernis, dass die Christenheit immer noch in viele Kirchen und Gruppen gespalten ist und wir es nicht hinbekommen, den Willen Jesu „Dass alle eins seien“ zu erfüllen. Dadurch ist auch unser Zeugnis in der Welt verdunkelt. Wir sollten schauen, dass wir möglichst viel gemeinsam machen und nach außen mit einer Stimme auftreten, wo immer dies möglich ist.
Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit der protestantischen Gemeinde in Schifferstadt. In Frankenthal gab es seit einigen Jahren Kontakte zu weiteren christlichen Kirchen, wie zum Beispiel den Mennoniten oder der Neu-Apostolischen Kirche. Ich bin gespannt, ob es in Schifferstadt auch weitere Kirchen gibt und wie die Zusammenarbeit mit ihnen aussieht.

Wenn es Ihre Zeit zulässt: Welchen Hobbys gehen Sie dann nach?

Ich fahre sehr gerne Fahrrad und kann da sogar Freizeit und Dienst verbinden. Ich lese gerne, mag Gesellschaftsspiele, spiele nicht gut, aber gern Gitarre und traue mich im Winter gelegentlich auf die Skipisten. Außerdem liebe ich das Pilgern. Ich bin vor vielen Jahren in Speyer aufgebrochen und hoffe, irgendwann in Santiago de Compostella anzukommen. Während meiner Sabbatzeit bin ich wieder ein Stück vorangekommen.