"Taizé zeigt die Kirche wie sie ist"

Tobias Schmith (20) erlebte Kirche und Gemeinschaft in besonderer Art und Weise

Ein kleiner Ort von großer Bedeutung ist Taizé, ein französisches Dorf nahe dem südburgundischen Cluny. Der Ort gilt als Symbol der ökumenischen Bewegung und Sitz einer ökumenischen Bruderschaft, dem rund 100 Brüder aus mehr als 25 Ländern angehören, die aus verschiedenen evangelischen und aus der katholischen Kirche stammen. Wer nach Taizé kommt, ist eingeladen, im gemeinsamen Gebet und Gesang, in Stille, im persönlichen Nachdenken und Gesprächen mit anderen, nach Gemeinschaft mit Gott zu suchen. Ein Aufenthalt in Taizé kann helfen, Abstand zu gewinnen vom Alltag, ganz verschiedene Menschen kennenzulernen und über ein Engagement in Kirche und Gesellschaft nachzudenken.

"Ich wollte mir über meinen weiteren Lebensweg klar werden."

Tobias Schmith (20) von unserer Pfarrei Heilige Edith Stein hatte nun Gelegenheit, vom 1. Oktober 2018 bis 1. September diesen Jahres als freiwilliger Helfer in Taizé zu leben. "Ich kannte den Ort bereits, da ich 2016 und 2017 jeweils in der ersten Herbstferienwoche mit der Diözese Speyer und im Sommer 2018 einen Monat dort verbracht habe", berichtete der junge Mann. Schnell wird im Gespräch mit ihm klar, wie sehr ihn dieser Aufenthalt geprägt hat, denn er wirkt reifer, lebenserfahrener und sehr selbstsicher. "Ich hatte verschiedene Gründe, nach Taizé zu fahren", erklärte er. "Zum einen war ich auf der Suche nach Gott und nach mir selbst und zum anderen wollte ich mir über meinen weiteren Lebensweg klar werden. Außerdem singe ich sehr gerne, was ich durch die schönen und speziellen Taizé-Gesänge ausgiebig tun konnte", fügte er hinzu. Doch als ehrenamtlicher Helfer hatte er auch verschiedene Aufgaben. So sei er in den Wintermonaten für die "praktischen und alltäglichen Dinge" zuständig gewesen, wie Schließdienste, Tätigkeiten im Haushalt und Kirche und darauf zu achten, dass Regeln eingehalten werden, damit das Zusammenleben funktioniere. "Die letzten vier Monate habe ich am Empfang gearbeitet und damit alles kennengelernt, was Menschen während ihres Aufenthaltes bewegt", berichtete er. Denn bei dieser Arbeit habe es sich nicht nur um Willkommensgrüße, Zimmereinteilungen und Abrechnungen gehandelt, sondern er galt als Ansprechpartner für alle Belange und Fragen der Gäste. Dies habe ihn vor so manche Herausforderung gestellt, an der er aber auch gewachsen sei.

"Sehr beeindruckend war für mich, dass auf eine ganz besondere Art und Weise Kirche und Gemeinschaft gelebt wird", erzählte er. Taizé habe zwar einen katholischen Charakter, sei aber auch gleichzeitig sehr offen und ökumenisch. Das habe dazu geführt, dass er viele tolle und tiefgehende Gespräche führen konnte und sich ganz konstruktiv über das Leben an sich austauschen konnte. "Dies war eine weitere sehr gute Erfahrung", hob er hervor. Das einfache Leben in Taize, fern von der Hektik des Alltags, sei dazu auch ein guter Helfer, über die Beziehung zu Gott und über sich nachdenken zu können. "Ich habe viele Erfahrungen gesammelt im Austausch mit anderen, in der Stille mit mir selbst, im Gebet und auch ein gewisses Gefühl für Gemeinschaft entwickelt, aber auch, was es bedeutet, mit Fremden zusammen zu leben, auch im Hinblick auf die Flüchtlingssituation. Denn der Christusglaube verbindet", wird er konkret. Er habe auch viele  Workshops besucht, in denen es um politische, wissenschaftliche und soziale Themen ging, wie beispielsweise um Nachhaltigkeit, was ihn angeregt habe, sich damit noch intensiver zu beschäftigen.

Beeindruckend und mit Gänsehautgefühl: Das Osterfest in Taizé

Es sei sehr interessant gewesen, mit den Brüdern in Kontakt zu kommen und ihre menschlichen Seiten kennen zu lernen. An Überalterung leide die Gemeinschaft erfreulicherweise nicht, denn es gäbe auch sogenannte "junge Brüder" im Alter  zwischen 25 und 35 Jahren. Auf die Frage nach besonderen Erlebnissen, antwortete Tobias Schmith spontan mit "die Festtage an Weihnachten und Ostern". Besonders das höchste Fest der Christen, das Osterfest, habe er sehr intensiv wahrgenommen. Bereits die Fastenzeit war ganz anders als in seiner Heimat. Denn sie habe dort alle Lebensbereiche betroffen und mit einbezogen. Dies galt vor allem für die Karwoche, denn ein ablenkender Alltag habe es nicht gegeben. Es erklang zudem während der Fastenzeit kein "Halleluja" und kein "Gloria". Die Karwoche sei dann an Palmsonntag mit spannenden Gebeten eingeleitet worden. An Karfreitag habe es um 15 Uhr ein dreiminütiges Glockenläuten gegeben zu Erinnerung an die Sterbestunde Jesu, in denen alle Menschen inne hielten, was ein sehr bewegender Moment gewesen sei. Der Gottesdienst sei abends abgehalten worden. "In der Nacht zum Ostersonntag wurde die ganze Nacht bis um 6 Uhr gesungen. Die sich anschließende Auferstehungsfeier war sehr gewaltig und emotional und hat mich sehr berührt", gibt der junge Mann offen zu, dessen Schilderung nicht nur ihm im Nachhinein "Gänsehaut" bescherte. Frauen aus dem Dorf haben Feuer in die Kirche getragen und die Osterkerze entzündet. In allen Sprache erschallten Jubelrufe und das auferstehend rufende "Gloria" sei aus allen Ecken der Kirche geklungen. Diese tiefgehende und verbindende Erlebnis werde er nie vergessen. Dennoch würden die Festtage einfach und ohne riesige Feier abgehalten. "Da reicht es, wann man in einer einfach gehaltenen Kirche zusammen ist, singt, betet und Gemeinschaft hat. Das zeigt die Kirche, wie sie ist", so seine Erkenntnis. "Ich hoffe, dass es ein offener und dynamischer und ein inspirierender Ort bleibt im Sinne des Gründers Frère Rocher", wünscht sich Tobias Schmith. Der reformierte Theologe und Calvinist Roger Schutz gründete die Gemeinschaft 1942 und war bis zu seiner Ermordung 2005 deren Prior. Nun ist es der deutsche Katholik Frère Alois Löser.

Inzwischen hatte er eine Woche "Heimaturlaub", ist aber mittlerweile wieder für zwei Wochen in Taizé, um gemeinsam mit einem Team, Taizé-Brüdern und Schwestern, die mit Taizé kooperieren, das nächste europäische Jugendtreffen vorzubereiten, das vom 28. Dezember bis 1. Januar 2020 in Breslau stattfinden wird, an dem Menschen zwischen 18 und 35 Jahren teilnehmen können. Beim letzten Treffen in Madrid seien es über 15.000 Menschen gewesen, doch schätzt er, dass es dieses Mal noch mehr werden. Ab Ende September wird Tobias Schmith bis Anfang nächsten Jahres ebenfalls in Breslau sein, um direkt vor Ort mit zu organisieren. Ziel des europäischen Jugendtreffens wird sein, gemeinsam zu beten, singen und still zu sein, mit tausenden Jugendlicher den Glauben zu vertiefen und einander besser verstehen zu lernen, die Gastfreundschaft von Menschen in Breslau zu erleben und in Einfachheit miteinander teilen,  Menschen kennen zu lernen, die das Evangelium inmitten der heutigen Herausforderungen leben und  einen neuen Anlauf zu nehmen für mehr Solidarität in Europa.

Bericht: Inge Schade; Bilder: privat

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