Edith Stein: Als Erwachsene zum Glauben finden – erwachsen glauben
In diesem Jahr 2022 wurde der 100. Tauf- und Firmtag der Heiligen Edith Stein begangen. Denn am 1. Januar 1922 wurde sie in der St. Martinskirche in Bad Bergzabern getauft, am 2. Februar in der Bischöflichen Privatkapelle in Speyer gefirmt. Aus diesem Anlass ist es ein Wunsch der Pfarrei Heilige Edith Stein, sich eingehender mit ihrer Namenspatronin zu beschäftigen. Jeweils eingebettet in eine Andacht wird dies in der St. Laurentiuskirche mit Vorträgen an vier Sonntagen in der Fastenzeit erfolgen, die jeweils um 17 Uhr beginnen.
Eröffnet wurde die Reihe von Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann am ersten Fastensonntag mit dem Thema "Edith Stein. Als Erwachsene/r zum Glauben finden – erwachsen glauben". Denn Edith Stein kam erst als Erwachsene zum Glauben, wurde mit 31 Jahren katholisch getauft.
Ein herzliches Willkommen richtete Pfarrer Dr. Georg Müller zu Beginn der Andacht an den Bischof, der vor sieben Jahren in Ludwigshafen in seiner damaligen Pfarrei zu Gast gewesen sei und ebenfalls eine Vortragsreihe über die Heilige eröffnete. "Edith Stein ist beispielhaft und anregend für unseren Glauben", hob der Pfarrer hervor.
Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann ging zunächst auf die heutigen Erfahrungen bei den Erwachsenentaufen ein. So seien im Jahr 2020 etwa 105.000 Menschen getauft worden, darunter etwa 1.550 Erwachsene. Das zeige, dass die Taufentscheidung nach wie vor meist von Eltern für ihre Kinder getroffen würde.
"Doch wie kann man Menschen, die entweder gar nicht glauben oder deren Kinderglaube zwischen den Fingern zerronnen ist, eine neue Sehnsucht des göttlichen Geheimnisses ins Herz pflanzen?", fragte er. Und dies zugleich in dem Bewusstsein, dass es ein intimes Geschehen zwischen Gott und Mensch sei, das in seiner Größe nie ganz ausgeleuchtet werden könne. So habe auch Edith Stein, nach ihrem Glauben gefragt, geantwortet: "Mein Geheimnis gehört mir". Dennoch sei es hilfreich, auf sie zu blicken, die als Jüdin aufgewachsen war, aber nie in ihre eigene Glaubenstradition fand, so dass sie sich mit 15 Jahren bewusst das Beten abgewöhnt hatte, zur Atheistin wurde, aber immer auf der Suche nach der Wahrheit blieb. Sie sah den Glauben als Beschränkung ihrer Freiheit und ihres selbstbestimmten Lebens.
Eine Begegnung in Frankfurt im Sommer 1916 hatte sie dann sehr berührt: Sie fand Gott im Leben einer einfachen Frau, die im Dom vertrauensvoll zu Gott betete; hier erlebte sie die Wirklichkeit und die Kraft des Gebets.
Der erste Weltkrieg mit seiner grausamen Zerstörung aller Humanität hatte sie dann auch die Gottesfrage stellen lassen. Denn eine erste tiefgehende Begegnung mit dem Kreuz erlebte sie durch den Tod ihres Lehrers und akademischen Freundes Adolf Reinach 1917 im ersten Weltkrieg. Völlig hilflos, fürchtete sie sich davor, dessen Witwe Anne gegenübertreten zu müssen, die sie sich nur als gebrochene Frau vorstellen konnte. Sie begegnete aber einer Frau, die durch ihren Glauben an den Gekreuzigten gestärkt und getröstet wurde und das eigene Schicksal annehmen konnte Sie schreibt: "Es war der Augenblick, in dem mein Unglaube zusammenbrach, das Judentum verblasste und Christus aufstrahlte: Christus im Geheimnis des Kreuzes." Später wählte sie sich selbst beim Eintritt in den Karmel bewusst den Namen Teresia Benedicta a Cruce (die vom Kreuz Gesegnete).
Edith Steins letzter und entscheidender Schritt ereignete sich im Sommer 1921, als sie während ihres Aufenthalts in Bad Bergzabern bei den befreundeten Philosophen Dr. Theodor und Hedwig Conrad-Martius, mit der sie in Göttingen studierte, das Buch "Das Leben der hl. Teresa Avila" las. Sie erkannte darin die Wahrheit und fand ihren Lebenssinn, so dass sie den Entschluss fasste, in die katholische Kirche einzutreten.
Für Edith Stein bedeutete dies auch, dass sie ihre jüdische Beheimatung nicht ignorierte, sondern integrierte und sich für die Versöhnung von Juden und Christen eingesetzt hat.
"Dies alles zeigt, dass es bis heute eine Spiritualität des Alltags braucht mit all seinen Erfahrungen, damit man für das Geheimnis Gottes offen wird", meinte er. Viele Menschen lebten in Unsicherheit, beispielsweise durch den Klimawandel, der Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine. Das erschüttere das Grundvertrauen und mache empfänglich für Unheilspropheten, die Mauern in der Gesellschaft aufbauen.
Welch wertvollen Dienst der Glaube vermitteln könne, sehe man auch an Edith Stein. Denn die tiefste Antwort auf ihre Frage nach der Wahrheit habe sie in Jesus Christus gefunden in der Zuversicht, in Gottes Hand geborgen zu sein. Sie stellte fest, dass die Suche und die Begegnung mit dem Mensch gewordenen Gott keine Einschränkung der menschlichen Freiheit sondern genau das Gegenteil sei. "Es ist im Grunde eine einfache Wahrheit: Wer anfangen kann, an der Hand des Herrn zu gehen und sich in seine Hand begibt, kann darauf vertrauen, dass er sicher geleitet wird," so die Überzeugung des Bischofs. Die Fastenzeit lade dazu ein, den Glauben zu vertiefen und ihn in der Osternacht zu erneuern. Hierbei könne Edith Stein ein Vorbild sein.
Bericht und Foto: Inge Schade